Pandemie

Corona-Pandemie: Brettspiele und Social Distancing

Feiert das Familienspiel eine Renaissance? Bereits in den neunziger Jahren schwappte das Brettspiel raus aus dem familiären Umfeld in die Studenten-WGs – und hat sich von da aus in Kneipen, Nachbarschaften und Spieletreffs ausgedehnt. Jetzt sind viele Studentenwohnheime verwaist, die Unis sind geschlossen und die Studierenden haben oft ihr altes Kinderzimmer wieder bezogen. Für das Spielen in der Familie ist das eine große Chance. Was soll man in dieser quarantäneartigen Zeit sinnvolleres tun, als gemeinsam zu spielen? Zahlen für Deutschland kenne ich nicht, aber aus den USA wird soeben eine Steigerung des Umsatzes mit Spielen und Puzzles um 228 Prozent seit Beginn der Coronakrise gemeldet.

Der Trend der letzten Jahre, das Spielen als Hobby zu begreifen, wird unter den Bedingungen von Social Distancing leiden. Denn Menschen, mit denen wir außer der gemeinsamen Leidenschaft fürs Brettspiel nicht viel gemein haben, darf man momentan nicht treffen. Es gibt keine Spieletreffs mehr, keine Events, keine Messen – und auch in die eigene Wohnung lädt man nur noch die engste FreundIn ein. Die Hobbyspielergruppen sind jetzt auseinandergerissen. Mit der Einschränkung müssen jetzt alle leben – wie lange noch, weiß niemand.

Ganz schön clever in der Brettspielwelt.

Mancherorts wird versucht, das Spielen in den digital-virtuellen Raum verlagern. So genannte Multiplayer-Solitair-Spiele lassen sich recht einfach selbst via Whatsapp spielen, aktuell beispielsweise Der Kartograph oder Trails of Tucana (Brettspielpodcast »). Außerdem gibt es Apps einzelner Spiele und Plattformen wie die Brettspielwelt, die einem dann ein Brettspielgefühl geben, wenn am anderen Ende der digitalen Verbindung ein menschlicher Gegner sitzt (» spiel-des-jahres.de: Online spielen). In der Brettspielwelt habe ich früher viele Partien Dominion oder Pandemie gespielt, heute spiele ich dort dann und wann eine Runde Kingdom Builder oder Ganz schön clever. Ich bin froh, dass es diese Möglichkeiten gibt, obwohl viele Menschen nur schwer nachvollziehen können, warum man am PC oder Smartphone ein Brettspiel simulieren sollte, wo doch Videogames dem Medium perfekt angepasste Erlebnisse bieten.

Digitale Brettspielpartien sind für mich immer nur ein Surrogat. Die Verfilmung meiner Lieblingsbücher kann ja auch niemals das Original erreichen. Genauso geht es mir nach der Digitalisierung eines Brettspiels, die mich eh nur dann interessiert, wenn ich das Original kenne. Beim Onlinespielen merke ich, wie wichtig für mich das physische Umgehen mit Figuren und Würfeln ist. Nicht ohne Grund nennen wir Brettspiele auch Gesellschaftsspiele. Die Gemeinschaft am Spieltisch lässt sich auf Dauer durch nichts ersetzen.