„Die Leute rufen an und erzählen vom Bauernskat“, erreichte mich vor einem Jahr die empörte Whatsapp-Nachricht einer Freundin aus meiner Spielegruppe. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte sich entschieden, bei der abendlichen Call-in-Sendung über Spiele zu sprechen. Eine lobenswerte Idee, denn schon am Morgen hatte das Thema „Spiel“ das Hörfunkprogramm beherrscht. Gemeint war die „Spiel“ in der Essener Messe, und zwar in den Verkehrsnachrichten, wo die Staus in Richtung Essen-Rüttenscheid Rekordlängen wie noch nie erreichten. Damit war auch dem letzten Radioredakteur klar: Brettspiele sind kein Minderheitenphänomen.
Aber: Ein Mehrheitenphänomen sind die auf den Essener Spieltagen vorgestellten Titel eben auch nicht. Schlimmer als der Bauernskat-Anrufer war nämlich die Abmoderation besagter Sendung. „Und am besten sind immer noch die Klassiker.“ Inzwischen hatte ich das Radio auch angeschaltet, und kam gerade rechtzeitig, um kräftig in die Tischkante zu beißen. Der WDR-Journalist meinte nämlich Skat, Kniffel, Monopoly und wer weiß was. Jedenfalls nichts, was auch nur einen Autofahrer bewegen würde, sich an einem Oktoberdonnerstag in den Stau auf der A 52 zu stellen, um die Essener Messe anzusteuern. Synes Ernst, Mitglied des Spiel des Jahres e.V., und Robin de Cleur, Pressesprecher des Essener Verlagshauses Asmodee, hatten als Studiogäste vergeblich argumentiert.

Nur noch zehn Tage bis zur Eröffnung der Spiel ’17: Das Damwild hinter der Messehalle 3 zeigt sich unbeeindruckt.
Kein Zweifel: Für aktuelle Brettspiele interessiert sich eine Minderheit, Staulängen oder U-Bahn-Chaos bei der Essenanreise hin oder her. Diese Minderheit ist groß, erfreulich generationsübergreifen und längst kein allein deutsches Phänomen mehr. Manchmal habe ich den Drang, dabei mitzuwirken, diese Minderheit zu vergrößern. Sonst könnten mich Gespräche über Bauernskat kalt lassen.