Ich mag Listen, Top Tens und Preisverleihungen. Nicht alle sind wirklich bedeutend, aber es macht Freude, sie zu lesen. Entspricht die Auszeichnung meiner Meinung, verwundert mich das Ergebnis oder gibt es mir interessante Anregungen?
1995 durfte ich erstmals über den Deutschen Spiele Preis (DSP) mit abstimmen. Damals war ich mächtig stolz. Denn gemeint war nicht die Leserabstimmung des Fachmagazins Pöppel Revue, sondern die exklusiv unter Spielejournalisten durchgeführte Umfrage. Die Publikumsmeinung trug nur 40 Prozent zum Gesamtergebnis bei. Je 20 Prozent bestimmten Journalisten, Händler und Spielekreise. Erst ab 2001 ist aus dem DSP ein Preis geworden, der komplett vom Fachpublikum bestimmt wird. Jeder, der sich für fachkundig hält, darf seine Stimme abgeben. Und jede Stimme ist exakt gleich viel wert. Das klang damals sehr gerecht.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Das Brettspielangebot hat sich derart gewandelt, dass die Top-Ten-Liste des DSP längst von Expertenspielen dominiert wird. 2001 gewann hingegen noch ein leicht zugängliches Carcassonne. Eine andere Veränderung stellt sich jetzt als Problem heraus. Soziale Medien, Kickstarter sowie ein internationales Forum wie Boardgamegeek haben die Kommunikation innerhalb der Spieleszene deutlich verändert. Die Versuchung, das DSP-Ergebnis in eine bestimmte Richtung zu steuern, hat zugenommen. Erst wurde für Clans of Caledonia die internationale Szene gezielt mobilisiert und mit übersetzten Anleitungen zur Stimmabgabe für den eigentlich deutschsprachen Preis geworben. Und jetzt hat ein irrlichternder YouTuber mit seinem Aufruf, dem Spiel Klong die Stimme zu geben und als Gegenleistung Promotionskarten in Aussicht zu stellen, das Fass zum Überlaufen gebracht. Jedenfalls hat der veranstaltende Friedhelm Merz Verlag die Reißleine gezogen und die DSP-Abstimmung rückwirkend zum 23. Juli beendet. Das ist schade. Es sind gerade diejenigen Spieler, die den DSP besonders ernst nehmen, die ihre Stimmen erst kurz vor dem für den 30. Juli angekündigten Ende abgeben wollten. Denn vielleicht kann der nächste Spieleabend die Reihung auf der persönlichen Top-5-Liste, die bei der Stimmabgabe abgefragt wird, noch verändern. Doch diese Stimmen fehlen in 2018.
Schon jetzt stellt sich die Frage, wie der Preis in 2019 aussehen wird. Ob wieder zurückgekehrt wird, zu dem bis 2000 gültigen Modell, bei dem die Publikumsabstimmung durch Expertenentscheidungen relativiert wird? Oder sind andere Modelle denkbar, die für ein weiterhin glaubwürdiges Ergebnis sorgen können?
So anonym berichterstattet und ohne anzuprangern mit vollen Vor und Namen, hätte ich mir eine wohl überlegte Reaktion des DSP gewünscht.
Großartig zusammengefasst.
Lösungen sind wahrscheinlich sehr schwierig zu finden, da es immer aufstrebende YT geben wird und immer Verlage, die schneller und „besser“ reagieren, als andere Verlage.
Da ich kein Freund von nur Kritisieren bin, möchte konstruktiv einen Vorschlag hinterlassen, auch wenn ich selbst noch nie eine Preisverleihung veranstaltet habe (andere also mit besseren Vorschlägen kommen sollten).
Ein Möglichkeit – und mehr Diversität – gäbe es vielleicht, wenn Spielvereine (als Beispiel BrettspieleN Koeln, da dies mein Vorredner war) 3 Stimmberechtigte stellen würden. Jeweils ein Stimmberechtigter aus dem Bereich Familie, Hardcore und Neue Spiele.
Diese würden sich dann für den Verein auf 1 Stimme einigen. Eine Zusatzstimme können Vereine erhalten, wenn diese an wenigstens 4 Schulen eine Umfrage gemacht haben.
Pro Stadt kann es mehrere Vereine geben, die lediglich eine Mindestmitgliederzahl von 50 durch einen Besuch nachweisen müssen, sowie mindestens 20 Spielerinnen*.
Diese haben dann eine Stimmwertung von 35%, während Händler mit 30% und Fachpresse mit 20% dabei sind. Die restlichen 10% wird weiterhin der Publikumsaward.
Händler erhalten 30%, da diese wirklich am Puls der Zeit sitzen und breitentauglicher abstimmen, während die Fachpresse häufig eher neue Spieletrends mit einfließen lässt.
Da fehlen 5%? Genau – diese sollten für aufstrebende YT und Blogs reserviert werden. Diese müssen zwischen 75 und 2500 Abonnenten vorweisen und mindestens 15% der Spiele aus verschiedenen Bereichen rezensiert haben, die zur Abstimmung stehen. Bei mehr Abos muss der YT/Blogger sich langsam um eine Stimme in der Fachpresse bemühen.
Endkundenabstimmungen würde ich online komplett vermeiden, da sicherlich jeder Verlag in der Lage ist einen Bot programmieren zu lassen, der das Rennen entscheidet und die Endkunden dadurch weiterhin keinerlei Vorteil haben.
Am Wichtigsten ist aber vielleicht tatsächlich jedes Jahr etwas zu ändern. So könnte es im nächsten Jahr eine Abstimmung live im Spieleverein geben… Aber auch das geht nur 1x, da ansonsten sicherlich Promotouren von Spieleverlagen veranstaltet werden.