Board Game Cafés, die täglich geöffnet sind, in denen es viele hundert Spiele gibt und man für die Zeit bezahlt, in der man spielt? In England ist das in einer Reihe von Großstädten möglich. Im Londoner Stadtteil Waterloo hat im letzten Sommer das Board Game Café Draughts neu eröffnet. Es ist die Filiale eines bereits 2016 als Kickstarter-Projekt eröffneten Cafés in Hackney.
In Waterloo erstreckt sich das großzügig gestaltete Draughts über zwei Etagen im Bogen einer Eisenbahnbrücke. Geöffnet ist täglich, meistens ab 10 Uhr. Mehr als 800 Spiele sind in offen zugänglichen Regalen zu finden, sortiert nach Kategorien wie „Strategy“, „Trivia“ oder „Social Deduction“. Fünf Pfund (zirka 5,80 Euro) kostet das Spielen pro Person und pro vier Stunden. Speisen und Getränke werden selbstverständlich auch verkauft, eine Karaffe mit Wasser wird ohne Berechnung auf den Tisch gestellt.Sehr erfolgreich läuft das ebenfalls per Kickstarter etablierte Chance & Counters in Bristol, der viertgrößten englischen Stadt. So erfolgreich, dass man jetzt auch eine Filiale im walisischen Cardiff eröffnet hat. Preise, Öffnungszeiten, Spieleauswahl: Alles ist ganz ähnlich wie in London. Das Café in Bristol ist etwas kleiner und gemütlicher. Auch hier wird angeboten, dass die ausgewählten Spiele erklärt werden. Nicht jeder Mitarbeiter kenne jedes Spiel, erfahre ich, aber für viele Spiele können man jemanden finden.
Vierzehntägig ist „Social Gaming“ im Chance & Counters. Während an den anderen Tagen zumeist diejenigen an den Tischen sitzen, die sich kennen und dort verabredet haben, soll man dann allein ins Café kommen. „No-one to play with?“, beantwortet Chance & Counters mit dem Versprechen, Mitspieler kennenzulernen. „We have gurus on shift who can teach you the rules to our games, and introduce you to the rest of the group.“
Brettspieletreffs, die von Privatpersonen organisiert werden, gibt es England auch. Nur wenige Schritte entfernt findet So Board In Bristol im The Drawbridge Pub statt. Hier treffen sich sonntags um 12 Uhr zwei Dutzend oder mehr Spielefans, die mit großen Taschen kommen, in denen sich ihre eigenen Spiele befinden. Oft sind auch deutschsprachige Spiele dabei, für die sie die englische Anleitung als Ausdruck dazugelegt haben. Während bei So Board das Spielen kostenlos ist, muss man im benachbarten Chance & Counters besagte fünf Pfund bezahlen. Trotzdem scheint letzteres das „niedrigschwelligere“ Angebot zu sein. Hier trifft sich ein Freundeskreis, der auch mit einer Runde Catan glücklich sein kann, während im The Drawbridge eingefleischte Hobbyspieler eine Great Western Trail-Partie absolvieren.
Bis vor nicht allzu langer Zeit galt England noch als ziemlich weißer Fleck auf der Landkarte der Brettspiele, die man früher gerne als „German games“ bezeichnet hat. Bei dem Angebot an täglich geöffneten Brettspielcafés haben die Engländer Deutschland inzwischen weit überholt. Thirsty Meeples in Oxford, Sugar and Dice in Liverpool, The BoardRoom in Kingston upon Hull oder The Dice Cup in Nottingham heißen einige der Board Game Cafés, die quer durch England zu finden sind.
Täglich geöffnete Brettspielcafés gibt es in Deutschland bislang nicht. Vorreiter bei uns ist das Würfel & Zucker in Hamburg mit 1400 Spielen. Hier kann man immerhin an sechs Nachmittagen/Abenden in der Woche spielen, es kostet 5 Euro pro Person.
ERGÄNZUNG/KORREKTUR: Seit dem Herbst gibt es doch ein täglich geöffnetes Brettspielcafé, nämlich den Brettspielplatz in Berlin-Moabit, der allerdings nur sehr wenige Spiele in seiner Auswahl hat. Mehr als 700 Spiele gibt es hingegen im Voyager in Bonn, das nun seinen Ruhetag abgeschafft hat und täglich aufmacht. Das Gastspielhaus in Darmstadt ist kein reines Brettspielcafé, sondern ein täglich ab 17 Uhr offenes Gasthaus mit Gastspielen (kleine Konzerte und Lesungen) und 400 Spielen.
Täglich geöffnete Spielecafes gibt es also in Deutschland nicht? Dann komm mal nach Darmstadt:
„Gastspielhaus – Die Spiele- und Kulturkneipe am Riegerplatz“:
Montag bis Samstag ab 17 Uhr
sonntags ab 16 Uhr
Vielleicht ist Hamburg einfach zu provinziell (?). 😉
Ich finde knapp 250 Spiele deine vor gerade mal 6 Monaten eröffnetes Cafe auch nicht gerade wenig, vor allem wenn man bedenkt, dass da die Top 100 von BoardGameGeek sowie die Spiel des Jahres Nominierten der letzten 10 Jahre dabei sind… 😉