Brettspiele spielen gehört zum deutschen Kulturerbe

Was haben die „Geißbocktradition zwischen Lambrecht und Deidesheim“ und das „Brettspiele Spielen“ miteinander gemeinsam? Sie wurden jetzt in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, das damit auf 168 Einträge wächst.

Messe

Ein wichtiger Teil unserer Brettspielkultur: Die Spiel in der Messe Essen.

Diese Anerkennung der „Deutschen Brettspielkultur“ durch die Kulturministerkonferenz und Claudia Roth, der geschäftsführenden Kulturstaatsministerin, ist eine beachtenswerte Auszeichnung. „Es freut mich, dass die ‚Brettspielkultur‘ in die Liste aufgenommen wurde; sie verbindet Generationen und fördert den Zusammenhalt“, sagte die Grünen-Politikerin Roth.

Zumal es gar kein besonders altes Kulturerbe ist. Die Brettspielkultur, so wie wir sie heute kennen, gehe auf die 1970er Jahre zurück und wird seitdem „kontinuierlich weiterentwickelt“. Die „Geißbocktradition“, bei der eine Ziege von Lambrecht nach Deidesheim gebracht wird, existiert hingegen schon seit Pfingstdienstag 1534.

Ob Bock oder Spiel – welche Folgen hat die Listung als bundesweites Kulturerbe? Theoretisch könnte Deutschland es jetzt für die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit vorschlagen. Aber praktische Auswirkungen für die Gegenwart?

Manche Leute hoffen, dass aus dem Erbe nun auch die Konsequenz erwächst, dass Brettspiele als Kulturgut anerkannt werden. Dieser Ruf ist immer häufiger auch in den Medien zu finden. In diesem Monat war dazu auch ein Artikel in der Zeit erschienen, der sich wunderte, dass Brettspiele keine Kulturgüter seien. Aber: Zum einen behauptet niemand, dass Spielen kein Teil der Kultur sei. Zum anderen ging es in dem Zeit-Artikel um Spielwaren ganz allgemein. Und um das Bundeswirtschaftsministerium im Besonderen. Denn dort ist für das Spielzeug das Konsumgüter-Referat und nicht das Referat Kultur- und Kreativwirtschaft zuständig Das ärgert den Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI), die Lobbyorganisation der Branche. Zu Recht, wie ich finde. Aber: Was würde es dem Brettspiel nutzen?

In der Videogame-Industrie, die längst nicht mehr wegen mangelnder Aufmerksamkeit von Seiten der Feuilletons jammern kann, hat es jüngst einen großen Aufschrei gegeben, als sie in dieses Referat Kultur- und Kreativwirtschaft geschoben wurden. Sie hatte nämlich zuvor ein eigenes Referat „Games“ mit ganz eigen Ministerialbeamten. Die Videogames würden „systematisch benachteiligt“, schimpfte Felix Falk, Cheflobbyist der Games-Wirtschaft.

Dass Spielen eine Kulturform ist, ist eh unumstritten. Aber nicht alles was Kultur ist, wird gleichzeitig als besonders förderungswürdig erachtet. Wer einmal durch einen Toys “R” Us gelaufen ist, konnte durchaus daran zweifeln, ob man das jetzt wirklich als Kultur bezeichnen könnte. Da musste man schon ein paar Nischen ansteuern, etwa entlang der Auswahl an Monopoly-Derivaten hin zu den weiteren Brettspielregalen. Toys “R” Us gibt es nicht mehr – sicherlich aber nicht wegen eines veränderten Kulturverständnisses.

Ich bin mir nicht sicher, ob es dem Brettspiel gut tut, wenn es als Vehikel für die Überhöhung des Spielzeugs zum Kulturgut genutzt wird. DVSI-Cheflobbist Ulrich Brobeil argumentiert gegenüber der Zeit mit seinem Lieblingsspiel (Nobody is Perfect), und neben Mensch ärgere dich nicht, Mau Mau und Uno wird auch das unvermeidliche Siedler von Catan benannt. Ja, manches spricht dafür, dass Brettspiele als Kulturgut mehr wahrgenommen werden müssten. Aber nicht jedes Brettspiel.

Eine „offizielle“ Anerkennung als Kulturgut gibt es eh nicht. Und wenn, dann wären der Bund und insbesondere das Wirtschaftsministerium dafür eh nicht zuständig. Es ist für die Verteilung der Fördermillionen zuständig, weshalb die Videospielindustrie sich da eh ganz gut aufgehoben fühlt. Nur: 47 Millionen Euro Förderung pro Jahr seien viel zu wenig, meint die Games-Lobby. Und wegen des noch nicht beschlossenen Bundeshaushaltes 2025 gibt es erst einmal nur „kümmerliche“ 17 Millionen Euro, die aus dem Etat des Kulturstaatsministerin stammen, weil da noch Mittel zu finden waren. Dort ist auch ein 6,5-Millionen-Euro-Stipendienprogramm für digitale Spieleentwicklungen angesiedelt: 132 Personen werden mit 18 Monaten à 2750 Euro gefördert. Im analogen Bereich gibt es ein Stipendium nur für eine einzige Person, die einen vom Spiel des Jahres e.V. finanzierten Einmalbetrag von 3500 Euro bekommt.

Das Missverhältnis ist groß. Aber vielleicht kann die Anerkennung als Kulturerbe helfen, etwas mehr Aufmerksamkeit für das Brettspiel zu bekommen.