Queensdale

Ein Erlebnis: The Rise of Queensdale (4)

Niemand wollte The Rise of Queensdale, das als Legacy-Spiel viele Stunden dauert, mit mir spielen. Familie, Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn – alle, mit denen ich gemeinhin spielen, haben abgewunken. Spätestens nach der ersten Partie, die wir zur Probe absolviert haben, und bei der Queensdale einen doch recht gewöhnlichen Eindruck hinterlässt, kam die Absage. Dieses Spiel solange spielen, bis jemand die 70 erreicht hat? Darauf wollte sich niemand verbindlich festlegen und verpflichten lassen. So ein Legacy-Epos ist das Gegenteil von dem, was wir sonst von Gesellschaftsspielen gewohnt sind: Für jeden Geschmack, jeder Gruppengröße, jede Gelegenheit gibt es etwas Passendes. Mal wird das eine Spiele auf den Tisch gebracht, mal das andere. Da stört Queensdale nur.

Daraufhin habe ich die Kiste zum Spielekreis mitgenommen, wo sich typische Hobbyspieler treffen, die sich nicht so leicht verschrecken kann. Dort war das Interesse groß, und diejenigen, die einen Platz am Tisch gefunden haben, blieben bis zum Ende dabei. So etwas ist Ehrensache. Doch leider passte das nicht zu einem Spielekreis, der sich wöchentlich im Jugendzentrum trifft, öffentlich ist und jeden der kommt, mit einbezieht. Zehn Leute sind da, einer mag nichts Kooperatives, der andere nichts Englischsprachige und zwei möchten eher kürzere Sachen spielen? Kein Problem – daraus bilden wir drei Gruppen, so dass jeder bei etwas mitmacht, das ihm Freude bereitet. Wenn aber ein Tisch wochenlang mit Queensdale belegt ist, die dort Beteiligten niemanden anderes mehr mitmachen lassen und sich völlig unbeeindruckt von den Wünschen anderer zeigen: Dann ist The Rise of Queensdale ein unsozialer Fremdkörper, der nur zähneknirschend geduldet wird.

The Rise of Queensdale

Sind geschichtengetriebene Legacy-Spiele der Trend der nächsten Jahre? Oder doch nur ein Nischenangebot?

Auch deswegen haben wir versucht, Queensdale möglichst schnell durchzuziehen und die maximale Partienanzahl pro Abend zu schaffen. Was aber gar nicht so simpel ist. Die Partien dauern selten wesentlich länger als eine Stunde, vielleicht mal 90 Minuten. Oft geht es flott. Aber zwischen den Partien gibt es einen großen Verwaltungsaufwand. Es wird eine neue Geschichtskarte oder – wenn der Führende gewonnen hat – eine Epochenkarte vorgelesen. Damit kommen nicht nur neue Regeln ins Spiel. Sondern wir suchen in vielen Stickerbögen nach den benötigten Aufklebern und finden die Stellen in der Spielanleitung oder auf dem Spielbrett, wo diese hinkommen. Zusätzliches Material wird aus den Beuteln und Stanzbögen genommen, manch anderes wird weggeworfen. Außerdem wird noch die ein- oder andere Spielregelkarte vorgelesen und muss verstanden werden. 16 Schritte sind zwischen Partieende und den Start einer neuen Partie abzuhandeln. Statt richtig in das Spiel einzutauchen, fühlt man sich ausgebremst.

Vielleicht wäre es besser, nicht wöchentlich zu spielen, sondern jeden Abend genau eine Partie. Da das Ein- und Auspacken zu zeitraubend ist, sollte man dafür einen Tisch, und zwar einen sehr großen, für mindestens 14 Tage blockiert lassen. Doch ist es wirklich ratsam, sich ausgerechnet mit seinen Mitbewohnerinnen und -bewohnern auf dieses Experiment einzulassen? Schließlich möchte man gedeihlich miteinander leben und sollte es vermeiden, dass ein Spiel für schlechte Laune sorgt. Man kettet sich gewissermaßen an dieses eine Spiel, und die Wahrscheinlichkeit ist zu groß, dass irgendjemand doch lieber nicht mehr dabei sein möchte. Von Familien, die sich auf andere Legacy-Spiele eingelassen haben, weiß ich, dass sie das Ende immer noch nicht erreicht haben. Die einen sind deshalb frustriert, und die die anderen haben ein schlechtes Gewissen.

Mein Fazit zu Legacy allgemein und zu The Rise of Queensdale im Besonderen: Fangt mit dem Spiel nur an, wenn ihr euch hundert Prozent sicher seid! Dann könnt ihr – zu dritt oder zu viert (zu zweit ist Queensdale nicht zu empfehlen) – Großartiges erleben. Allen anderen rate ich: Lasst es bleiben! Auch wenn Legacy angeblich im Trend liegt – man muss nicht überall dabei sein.


Queensdale (Alea)Ein Erlebnis: The Rise of Queensdale
Teil 1: Legacy-Spiele liegen im Trend »
Teil 2: Achtung! Spoiler! Eine Warnung »
Teil 3: Ist es ein empfehlenswertes Spiel? »
Teil 4: Niemand wollte es mit mir spielen »


The Rise of Queensdale: Es liegt in deiner Hand. von Inka Brand und Markus Brand. Alea / Ravensburger

4 Kommentare zu „Ein Erlebnis: The Rise of Queensdale (4)

  1. edifanobbonafide

    Ich habe jetzt alle vier Teile gelesen und bin sehr angetan von diesem Erfahrungsbericht, der weder eine Lobhudelei noch eine Abkanzlung ist.
    Ich hatte schon vorher eine Meinung zu Legacy Spielen und fühle mich durch das Fazit bestätigt.

    Vielen Dank für diese aus meiner Sicht sehr gelungene Darstellung von Legay Spielen im Allgemeinen und Rise of Queensdale im Besonderen.

    Das wahr sicherlich eine Heidenarbeit. Davor ziehe ich meinen imaginären Hut!

  2. Tanja Sepke

    Ich kann diesem Fazit nur zustimmen. Bis auf eine Ausnahme:
    wir spielen The Rise of Queensdale zu zweit! Bisher haben wir 8 Partien gespielt und finden es großartig!

  3. Christian Schnabel

    Ein sehr schöner Bericht.
    Wir haben zu Viert 17 Partien (an 7 Spieleabenden in 6 Wochen) für Queensdale benötigt. Es es war für uns das erste Legacy Spiel überhaupt und ein großartiges Spielerlebnis. Und dabei ist so vieles unentdeckt geblieben.
    Ein Riesenkompliment an Inka Brand, Andre Maack, Daniel Gaca und Ravensburger für dieses außergewöhnliche Spiel.
    Bekommt The Rise of Queensdale einen Sonderpreis der Jury Spiel des Jahres? Verdient wäre es. 🙂

  4. Nadine

    Dem kann ich nur zustimmen. Wir haben das Spiel zu zweit durchgespielt und waren sehr begeistert! Ansonsten schließe ich mich dem Fazit auch uneingeschränkt an. Wir haben unseren Esstisch eine Woche lang blockiert und hatten das Spiel dann durch.

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