Die Jury Spiel des Jahres hat ihre Long- und Shortlist veröffentlicht – Zeit für eine erste Bilanz des Brettspieljahrgangs 2025. Wenn ich alle deutschsprachigen Spiele betrachte, die mit einer Altersangabe „ab 8“ oder höher in den Einzelhandel gekommen sind, war es ein Rekordjahr: Es gab 385 Neuerscheinungen, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die vielen Varianten, Neuauflagen und Erweiterungen bereits bekannter Spiele sind in dieser Zahl noch nicht einmal berücksichtigt.
Aus diesen 385 Spielen hat die Jury 15 Titel herausgefiltert. An zwei dieser Spiele war eine Autorin beteiligt, während 13 der 15 Titel (87 Prozent) von männlichen Autoren stammen. Im Vergleich dazu befinden sich unter den 385 Neuerscheinungen 96 Prozent Autorenspiele, an zwei Prozent war eine Frau mitbeteiligt, und der Anteil der reinen Autorinnenspiele beträgt auch nur zwei Prozent. Eine Besserung ist leider nicht in Sicht.
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Als 16. Spiel hat die Spiel-des-Jahres-Jury Foxy in ihre Longlist aufgenommen (meine Kurzrezension wird in der spielbox 3/25 erscheinen), das sich an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Erwachsenenspiel befindet. Mit diesem hervorragendem Merkspiel erreicht man generationsübergreifend ein besonders großes Altersspektrum.

Spiele nach Altersangabe sortiert: Rot – „ab 8“ oder höher. Blau – „ab 6“ oder niedriger. Magenta – „ab 7“.
Dass die Zahl der Spieleneuheiten nach dem sprunghaften Anstieg im letzten Jahr – da waren es gut 20 Prozent – weiterhin so hoch bleibt, erstaunt mich. Die Nachfrage nach Gesellschaftsspielen ist groß, aber es gibt nach meiner Schätzung auch keinen wesentlichen Anstieg – schon gar nicht, wenn man den inflationsbereinigten Umsatz als Maßstab nimmt. Gefragt sind gute Spiele, die die Menschen begeistern. Ein Automatismus, dass es mit größerer Quantität auch mehr Qualität gibt, ist jedoch nicht zu beobachten. Der Spielejahrgang 2025 ist gut, sticht aber im Vergleich zu anderen Jahrgängen nicht besonders hervor.
Ob die Anzahl der Neuerscheinungen in Zukunft so hoch bleibt, ist ungewiss. Das erratische Zoll-auf-und-ab des zunehmend autoritär regierenden US-Präsidenten Trump hat die amerikanischen Brettspielverlage schwer getroffen. Zwar gibt es auch in den USA eine Spieleproduktion – Hans im Glück lässt dort etwa seinen Bestseller Carcassonne fertigen –, aber sie ist recht klein und die allermeisten Titel müssen aus China importiert werden.

Mit Christoph Schlewinski im Spielecafé Playce: die Präsentation von Long- und Shortlist in den Kategorien Spiel, Kinder- und Kennerspiel.
Niedrige Lohnkosten, mangelnde Arbeitnehmerrechte, fehlende Umweltauflagen und die im Verhältnis zu den ökologischen Folgen zu geringen Transportkosten gelten als Standortvorteil für chinesische Firmen, die längst in der Lage sind, in ausgezeichneter Qualität zu produzieren. Auch weil die gemeinsame Fertigung von europäischen und US-Auflagen für zusätzliche Kostenvorteile sorgt, kommen die meisten deutschsprachigen Spiele aus Fernost. Unter den 16 Longlist-Spielen fehlt nur bei Agent Avenue, Krakel Orakel, Perfect Words und Zenith die „Made in China“-Angabe.
Wirklich neue Entwicklungen geschweige denn Trends hat der Jahrgang nicht hervorgebracht, vielmehr setzt er die positive Entwicklung fort, die die Spiele in letzter Zeit nehmen. Weiterhin erfreulich ist es, dass es Autoren und Verlage gibt, die sich nicht in Fantasiewelten flüchten, sondern den Mut haben, reale Themen anzupacken. Ein Beispiel dafür ist Kauri (meine Rezension wird in der spielbox 4/25 zu lesen sein), das sich auf eine spannende Weise mit dem Kolonialismus und der Geschichte Neuseelands auseinandersetzt.

14 Leute haben über die Spiel- und Kennerspiel-Listen entschieden: Harald Schrapers, Karsten Grosser, Nico Wagner, Maren Hoffmann, Tobias Franke, Tim Koch, Stefan Kessler, Michaela Poignée, Julia Zerlik, Johanna France, Christoph Schlewinski, Martina Fuchs, Manuel Fritsch und Udo Bartsch
Kauri stammt im Original von einem französischen Verlag und einem französischen Autor – so wie weitere fünf Titel auf der Spiel- beziehungsweise Kennerspiel-Longlist auch. Das zeigt, dass die französische Autoren- und Verlagsszene momentan eine besonders starke Rolle spielt, wenn es um herausragende Spielerlebnisse geht. Die Verlage aus Deutschland, Österreich und Schweiz konzentrieren sich hingegen – Ausnahmen sind Agent Avenue, The Gang und Krakel Orakel – auf die Lokalisierung zugekaufter Titel.
» spiel-des-jahres.de: Schlewinski und Schrapers kommentieren den Jahrgang