Kauri, Spielbrett

Südpazifik: Debatte um Kolonialismus im Brettspiel

Kauri ist ein Brettspiel, das den Kolonialismus aus einem anderen Blickwinkel betrachtet als andere Spiele. Diese haben zu oft unkritisch die althergebrachte europäische Sichtweise auf das Zeitalter der so genannten „Entdeckungen“ übernommen. Ein Spiel wie Mombasa wurde deshalb auch in zwei Ausstellungen im Ruhrgebiet gezeigt, die sich mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzen.

Kolonialismus im Brettspiel: museumsreif »

Ich habe darüber in der Dezember-Januar-Ausgabe der spielbox geschrieben. Daraufhin erreichten mich beziehungsweise den Verlag Leserbriefe, die gegen meine angeblich ungenügende Recherche protestierten.

Mir wurde vorgehalten, Personen wie Cook, Columbus oder Amerigo als „Kolonialisten“ zu bezeichnen, sei „Schlagwort-Journalismus“. Diese seien Entdecker gewesen, die lediglich von Forschergeist getrieben die bekannte Welt und den Horizont der Menschen vergrößern wollten, lautete die Behauptung der Zuschriften, die allerdings dem Stand der geschichtswissenschaftlichen Diskussion widerspricht. Denn dass James Cook die Grundlagen für das britische Kolonialreich im Südpazifik gelegt hat, kann als historisch gesichert gelten – etwas anderes habe ich nie behauptet.

James Cook, Portrait

James Cook kartographierte Neuseeland und gilt als einer der Wegbereiter des englischen Kolonialismus.

Bei seinen Reisen im 18. Jahrhundert erreichte Cook auch Neuseeland. Er kartierte die Insel, wobei es auch zu Kampfhandlungen mit dem indigenen Volk der Māori kam. Ein Gesellschaftsspiel wie das im letzten Jahr erschienene Cook Islands ignoriert die kolonialistischen Aspekte und spricht auf der Schachtel stattdessen von einer „Entdeckung der Inselwelt“ und fordert uns dazu auf, diese zu unserer „neuen Heimat“ zu machen (euphemistisch für „erobern“). Das Spiel Kauri wagt hingegen einen ganz anderen Blick auf die Geschichte im Südpazifik und betont die negativen Folgen der Kolonialisierung Neuseelands, gerade auch für das ökologische Gleichgewicht des Landes.

Kauri ist das Spiel des Autors Charlec, der den Kolonialismus kritisch betrachtet, gleichwohl aber Franzose ist. Er nutzt ein Medium, das seine Ursprünge in den siebziger und achtziger Jahren Europas hat: das moderne Brettspiel. Kauri ist weder ein Lernspiel noch eine historische Simulation, sondern ein Unterhaltungsmedium. Ein außerordentlich gutes sogar, weil es eine Gegenposition zur unrühmlichen Geschichte herkömmlicher Kolonialismusspiele einnimmt, anstatt in einer generischen Fantasiewelt spielen. So sorgt es für Nachdenken und stößt Diskussionen am Spieltisch aus.

Sicherlich hätte man einige Punkte in Kauri thematisch noch nachschärfen können, wenn man Fachleute mit indigenem Hintergrund, Cultural Consultants, Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler mit Brettspielexpertise hinzugezogen hätte. Denn manche Darstellung der Rollen von Engländern, Māori, Kiwis und Possums ist ziemlich kurz gegriffen (siehe Faktencheck von Nico Wagner und Daniel Noe in der aktuellen Ausgabe der Spiel doch!). Aber hätte das Spiel dadurch an Qualität gewonnen? Thematisch vielleicht, spielerisch aber eher nicht. Die Spielmechanik mit den asymmetrischen Rollen ist Charlec und der Redaktion von Débâcle Jeux nämlich sehr gut gelungen. In Kombination mit der greifbaren Thematik wird daraus ein herausragendes Spiel. Ein dicker Stapel an Ereigniskarten oder anderen Veränderungen, die den spielerischen Kern betreffen, könnte zwar die neuseeländische Geschichte besser ausleuchten, aber das Spiel würde sicherlich in der mittelguten bis mittelmäßigen Masse verschwinden. Kauri wäre dann nicht mehr das leicht zugängliche Kennerspiel, das es jetzt ist und mit dem viele Menschen erreicht werden. Menschen, die wissen, dass ein solches Spiel naturgemäß nur einen winzigen Ausschnitt der Realität in stark abstrahierter Form darstellen kann.

Eine ausführliche Besprechung von Kauri findet sich in der spielbox Nr. 4 August–September 2025. » spielbox

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