Das Brettspiel Mombasa, zu finden auf der Empfehlungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2016, genießt zweifelhaften Ruhm: Es ist sowohl in der Dortmunder Zeche Zollern (mehr dazu in meinem Kommentar in der aktuellen spielbox) und jetzt auch im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg ausgestellt. Es geht um „Kolonialismus daheim“ in der Zeche Zollern beziehungsweise um „Kolonialismus im Kinderzimmer“, wie der Ausstellungsteil in Duisburg heißt, in den das Expertenspiel Mombasa fälschlich einsortiert ist.
Die soeben in Duisburg eröffnete Ausstellung „überseehen“ verdeutlicht die Verflechtung der Stadtgeschichte mit dem (Post-)Kolonialismus. Der Hafen war Umschlagplatz für Kolonialwaren, und es gab mindestens 40 Kolonialwarenläden in der Stadt. Wie wirkte der Kolonialismus im Alltag, und welche Auswirkungen hat das bis in die heutige Zeit? Dies ist auch Thema im Westfälischen Landesmuseum in der Zeche Zollern am entgegengesetzten Ende des Ruhrgebiets. In Dortmund beschränkt sich die „Das ist kolonial“-Ausstellung aber nicht auf eine Stadt, sondern sammelt Beispiele und Exponate aus ganz NRW. Oder darüber hinaus, wenn es nichts NRW-spezifisches gibt – wie beim Brettspiel.
Neben Mombasa sind in der Zeche Zollern noch zwei weitere Brettspiele zu sehen: eine Kopie des 30er-Jahre-Machwerks Deutschland braucht Kolonien und das 1992 erschienene Papua – rein ins Boot oder ab in den Kessel! Die eher geschmacklose denn witzige Covergestaltung orientiert sich an rassistischen Stereotypen, weshalb eine Milchglasfolie den direkten Blick auf die Papua-Schachtel verhindert. Dies geschieht aus Rücksicht auf Menschen, die selbst Rassismuserfahrungen gemacht haben, und macht es nötig, den Blickwinkel zu verändern, um das Exponat zu betrachten. Vor der Mombasa-Schachtel befindet sich in Duisburgs Stadthistorischem Museum ebenfalls eine Milchglasfolie, während in Dortmund der Blick auf das Spiel ungetrübt ist.
Lange spielte die Kolonialismus-Thematik in Deutschland kaum eine Rolle, erst in jüngster Zeit wird darüber und über die von Deutschen verübten Kolonialverbrechen in größerem Rahmen gesprochen. Das erklärt, warum sich allein im Ruhrgebiet zeitgleich zwei Ausstellungen damit befassen.
Auch beim Brettspiel ist die Sensibilität in ziemlich kurzer Zeit deutlich gewachsen. Zwar war Mombasa bereits 2016 umstritten, eine Empfehlung der Spiel-des-Jahres-Jury gab es trotzdem. Im Rückblick ist das schwer zu verstehen, und längst findet sich eine Art „Disclaimer“ auf der Spiel-des-Jahres-Website: „Ein Spiel wie Mombasa, dessen Illustration alte Kolonialklischees reproduziert und dessen Ablauf Strukturen des Kolonialismus unkritisch hinnimmt, würde heute auf entschiedenen Widerspruch stoßen.“
» überseehen: auf (post)kolonialer Spurensuche in Duisburg
» Das ist kolonial: Westfalens unsichtbares Erbe
Sehr interessant. Vielen Dank!
Das neue Spiel von Klaus Jürgen Wrede bei Trefl hat mich auch etwas irritiert. Es schien mir aus der Zeit gefallen. Ironischerweise haben ich es mit Mitspielern getestet, die ihre Adresse in einer der hier angesprochenen Straßen mit Zusatzschild haben.